98 Meilen auf einen Streich

So … endlich finde ich mal etwas Ruhe und Zeit, um ein paar Zeilen zu schreiben. Die gute Nachricht direkt vorab: Ich stehe mit der Carpe in Stavoren/Ijsselmeer im Schleusen-Vorhafen, alle Knochen sind heil geblieben und auch sonst hat alles prima geklappt.

Angefangen hat alles am vergangenen Freitag mit meiner ja zwischenzeitich fast zur Routine gewordenen Anreise per Zug. Norderney bietet insoweit den Vorteil, als das man mit dem Zug quasi bis direkt an die Fähre in Norddeich fahren kann und dort einfach umsteigt. Der Yachthafen des SVN auf Norderney liegt dann wiederum direkt am Fähranleger auf Norderney. Ist also alles einfach und schnell zu Fuß zu erreichen.

Das Pfingstwochenende ist auf Norderney offenbar ein sehr beliebter Termin, denn der Zug war rammelvoll mit Touristen und sonstigen Party-Meuten, die mit Sekt, Bier und lauter Musik unterwegs waren. Auf der Insel angekommen, klärte sich das Ganze. Am Pfingstwochenende ist dort nämlich ein großes Surf-Festival mit Partymeile und allem drum und dran. Na ja .. ich war ja wegen etwas anderem da.

So landete ich also um halb zwei Mittags auf der Insel und machte mich sogleich auf Richtung Marina. Dort ging es direkt in die Vollen. Boot seeklar machen und Proviant einkaufen. Außerdem stand neben Wasser auch noch Diesel tanken auf der to-do-Liste. Das ist in Norderney ein bißchen umständlich, da man den Diesel mit Kanistern von der Tanke holen muß, um diesen dann an Ort und Stelle umzufüllen. Eine schöne Schweinerei war das.

Abends habe ich mir dann ein leckeres Essen im Hafenrestaurant gegönnt und bin anschließend noch eine Runde mit dem Fahrrad durch Norderney selbst gefahren. Sehr mondän das Ganze.
Aus den vielen Varianten für meine Überfahrt nach Holland, habe ich mich in der Zwischenzeit für den Plan entschieden, Norderney nachts kurz vor Hochwasser zu verlassen, um dann nonstop bis Terschelling durchzufahren.

Also Wecker auf halb zwei gestellt und um 22 Uhr ab in die Koje. Neben den üblichen Vorbereitungen wie Navigation etc. habe ich vor dem kurzen Schlaf auch noch reichlich Stullen und Getränke, wie Kaffee und Tee vorbereitet.

Nach nächtlichem  „Kurz-Frühstück“ und Katzenwäsche ging es dann um 2.30 Uhr los. Stockdunkel, leichter Wind und klarer Himmel. Leider ohne großen Mond. So ist die Sicht doch nur sehr mäßig.
Unter Maschine geht es zunächst aus dem Hafen, um die Westspitze Noderneys herum und dann bei höchstem Wasserstand durchs Schluchtertief. Leider sind hier die Tonnen nur sehr spärlich befeuert, was die Fahrt doch spannend macht. Am Ende geht aber alles gut und gegen halb vier erreiche ich offenes Wasser und setze die Segel als Schmetterling mit ausgebaumter Genoa sowie dem Groß mit Bullenstander.

So geht es nun einige Stunden gut voran. Gegen 4 Uhr dämmert es bereits und schon bald erscheint die Sonne am Horizont. So kanns weiter gehen. Schnell erreiche ich Borkum und die Reise geht mit schneller Fahrt weiter.

Gegen Mittag geht mir dann mehr und mehr der Wind flöten. Ich halse Richtung Norden um etwas Höhe zu gewinnen und hoffe auf mehr Wind weiter draußen direkt unterhalb des vorgelagerten Verkehrstrennungsgebiets. Leider vergebens. Nach anderthalb Stunden entscheide ich mich, aus der Flaute heraus zu motoren und gehe wieder auf direkten Kurz 255 Grad.

Nach einer guten Stunde stellt sich wieder ein laues Lüftchen ein. Also wieder die Segel raus und schon nach einer weiteren halbe Stunde geht es wieder mit vollem Karacho Richtung Holland. Ich passiere Schiermonikoog, Ameland mit seinem markanten Leuchtturm und schließlich auch Terschelling. In der Zwischenzeit hat der Wind und die Welle deutlich zugenommen und es rollt eine beachtliche See von achtern heran. An Terschelling vorbei kommt Vlieland in Sicht. Wegen der vorgelagerten Untiefen muß man hier ziemlich weit ausholen. Ansonsten gerät man hier schnell in unangenehme Grundseen mit steilen Brechern. So kommt es, daß man Terschellinhg und den Leuchtturm Brandaris zwar schon gut sehen kann, aber trotzdem noch mindestens 3 weitere Stunden unterwegs ist. Im Vliestroom zwischen Vlieland und Terschelling geht dann die Luzie ab. Aus dem nichts frischt der Wind auf bis zu 35 Knoten auf. Und das Ganze gegen den Strom. Ergebnis ist eine kurze steile Welle und so hat die Carpe heftig zu kämpfen und stampft mit teilweise nur noch 2 Knoten über Grund durch die See. In der Anfahrt nach Terschelling gehts dann plötzlich wieder besser und der Wind flaut ab. So langsam wird es wieder dunkel, denn es ist bereits 22.30 Uhr.

Kurz vor der Hafeneinfahrt berge ich dann die restlichen Segel und fahre durch den Fährhafen, vorbei an jeder Menge Traditionsseglern und Fischerbooten in den völlig überfüllten Yachthafen. Von den Stegen ist nichts mehr zu sehen. Haufenweise Yachten und Motorboote in Päckchen bis zu 6 Booten auf beiden Seiten sind normal. Mit Stirnlampe und Maglite bewaffnet, fahre ich auf gut Glück in eine der engen Gassen und mache an einer amtlichen Stahlyacht längsseits fest. Sofort springt der holländische Skipper aus der Koje und teilt mir als erstes mit, daß er am nächsten Morgen um sechs Uhr los will. Na prima .. ich habe zu diesem Zeitpunkt bereits 20 Stunden „auf der Uhr“ und will nur noch pennen. Das mach ich dann auch sofort. Abendessen und sonstiger Firlefanz wie Körperwäsche etc. fallen heute aus. Auf der Logge stehen 98 Seemeilen. Ein gutes Etmal.

Sonntag morgen um fünf klingelt schon wieder mein Wecker. Ich esse einige der restlichen Hasenbrote vom Vortag und lege um kurz nach sechs ab. Weil alles so eng ist, muß ich rückwärts durch eine superenge Gasse fahren. Draußen ist es dafür wunderschön. Blauer Himmel, keine Sau unterwegs und eine Stimmung wie im Bilderbuch. Zudem gibt es eine schöne Brise, die mich mit zunächst gerefften und später vollen Segeln in Windeseile nach Harlingen bringt.

Da ich für meinen Tiefgang noch etwas mehr Wasser auf der Barre Richtung Kornwerderzand benötige, lege ich in Harlinger Industriehafen irgendwo an und mache mir erst mal etwas zu essen. Nach knapp 2 Stunden gehts dann weiter. Leider ist der Wind fast futsch. Also unter Maschine über die Barre und nach eineinhalb Stunden durch die Schleuse in Kornwerderzand, wo es dankenswerterweise nicht so voll los ist wie befürchtet. In der Schleuse kommt es dennoch zu einem Zwischenfall. Plötzlich gibt etwa 20 Meter vor mir eine Motoryacht aus dem Nichts Vollgas und hämmert zunächst frontal in die Mauer, reißt sich dabei die Heckleine ab und vertreibt anschließend rückwärts gegen eine andere Segelyacht deren Crew gerade noch einen Fender dazwischen bekommt. Da war ich doch froh, nicht so weit vorne zu stehen.

Aus der Schleuse draußen setze ich nur mit Genoa und 4-5 Knoten Speed Kurs auf Hindeloppen, wo ich mich mit ein paar Freunden treffen will. Vor der Hafenzufahrt ist schon von Weitem ein Stau aus wartenden Yachten zu erkennen. Mitunter kommt die Schlange komplett zum Stillstand. Gott sei Dank kommt an diesem Tag der Wind genau von hinten, sodass das kein Problem ist. Käme er von der Seite, wären sicher einige Yachten in der Hafenmole oder sonst wo gelandet. Gegen 17 Uhr habe ich die Leinen fest und kurze Zeit später kommen auch meine Freunde an, mit denen ich einen schönen Abend verbringe. Das eigentliche Highlight war allerdings die heiße Dusche zuvor ,-). Um 23 Uhr fallen mir die Augen zu und ich verziehe mich in die Koje.

Heute dann das letzte Stück Richtung Stavoren. Schöne 3-4 Windstärken aus Nordnordwest erlauben eine schnelle Fahrt mit vollen Tüchern. Im Schleusenvorhafen dann natürlich das an Pfingsten übliche Mega-Chaos vor der Schleuse. Das tu ich mir heute nicht an. Also mach ich im Vorhafen längsseits an einem der „3×24 uur“ Plätze fest. Dort stehe ich noch jetzt und warte, daß sich die Situation draußen etwas beruhigt und ich dann durch die Schleuse fahren kann. Außerdem kommt heute abend noch Ruth aus Deutschland angefahren, worauf ich mich schon sehr freue.

So , daß soll erst mal reichen. Lade später noch ein paar Bilder hoch und nächste Woche gibts dann den Film mit hoffentlich guten Aufnahmen. Bis dahin  …

3 Kommentare

  1. Hallo Stegnachbar!
    Torsten von der blauen „Merlin“ freut sich über deine Webseite und wünscht dir weiterhin gute Fahrt& bis bald!

  2. Hallo Bruder, habe mit Tochter 1 gerade deinen Reisebericht gelesen und stelle wieder einmal fest, dass es dir nicht langweilig wird. Schöne Bilder und wieder mal ein tolles Erlebnis für den „Lebenskalender“. Habe die Tage auch mit unserem Vetter telefoniert und wir werden definitiv mit dir in See stechen. Mit 2 solchen Spezialisten an Bord kann doch gar nichts schief gehen. Also wir sind bereit ;)) Liebe Grüße an Ruth von der ganzen Bande hier und weiterhin gute Reise. Bruder

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