Wie schreibt man …

… eigentlich Reuse ? Also um es vorweg zu nehmen, ich habe es eben mal gegooglet und so wird es tatsächlich geschrieben. Also Reuse .. mein neuer bester Freund heißt REUSE. So was habe ich ja noch nicht erlebt. Da fahre ich heute morgen ganz gemütlich um 7 Uhr in Le Havre los und es läuft auch alles wie geplant. Der Strom dreht nach 2 Stunden und die Carpe und ich kommen gut voran. Nach und nach kommt uns dann immer mehr der Wind abhanden. So machen wir irgendwann nur noch 3 Knoten Fahrt durchs Wasser. Das rettet dann auch der Strom nicht mehr. Immerhin haben wir heute knapp 80 Meilen geplant. Um das ganze auszusitzen, entschliesse ich mich, mal wieder ein paar Nickerchen im Viertelstunden-Rhytmus zu machen und auf mehr Wind zu warten. Das klappt ganz gut und so langsam muss ich mich ja auch mal daran gewöhnen.

Alle Viertelstunde halte ich Ausguck ob sich irgendwas getan hat und haue mich anschliessend wieder aufs Ohr. Zusätzlich lasse ich das AIS laufen und kann so die umgebende Berufsschifffahrt überwachen. Dennoch gibt es nach einer guten Stunde plötzlich einen Schlag und ich sitze kerzengerade im Salon. Wat war dat denn ? Ich eile sofort nach oben und kann zunächst nichts feststellen. Komisch nur, dass nach und nach die komplette Fahrt aus dem Schiff verschwindet .. und das, obwohl wir wieder ein bißchem mehr Wind haben. Als ich dann an Steuerbord über die Reling gucke, schwant mir Böses. Da schwimmt ein Kanister mit einer Leine an der Bordwand, der ganz offensichtlich die Carpe „eingefangen“ hat und bremst. Als erstes berge ich sofort alle Segel und sammele mich mal kurz. Der erste Versuch, die Leine des Kanisters mit dem Bootshaken nach oben zu ziehen scheitert am enormen Zug der auf der Leine ist. Beim zweiten Versuch verabschiedet sich dann der Bootshaken in die Tiefen des Atlantiks .. fucky fuck !

Ich lasse die Maschine an und kuppele ganz vorsichtig und kurz vorwärts und rückwärts ein. Die Schraube scheint frei zu s in. Das ist schon mal gut. Dennoch will ich mein Schicksal nicht zu sehr herausfordern und lasse das mit der Maschine gleich wieder. Wenn erst mal eine Leine in der Schraube hängt, habe ich ernsthafte Probleme. Nach kurzem abwägen, entschliesse ich mich zum Gang ins Wasser. Also Klamotten aus, Brustgrut an, Leine an Gurt und Klampe befestigt, Notleiter ebenfalls an die Klampe gehangen, Bolzenschneider mit einer einer Schnur am Brustgurt angebunden, Taucherbrille und Schnorchel an und los gehts. Meine Fresse ist das kalt. Und der Strom .. der reisst mich fast sofort weg. Nur mit Mühe kann ich mich an der Leiter festhalten. Beim ersten Blick unter das Boot offenbart sich das ganze Ausmaß. Am Kiel hängt die komplette Fahnenstange, die die Reuse markiert. Nur der Kanister, der die Leine zum einfangen der Reusenleine an der Oberfläche hält, schwimmt noch oben. Das ganze hängt zusammen offenbar an der Reuse, die irgendwo in der schwarzen Tiefe unter mir liegt und die Carpe nicht fahren lässt. Die Fahne der Stange hat sich außerdem in die Schraube verwickelt. Oh Mann … seit wann gbt es denn 20 Meilen vor der Küste REUSEN ???

Beim ersten Tauchgang gelingt es mir, zumindest die Fahne au der Schraube zu befreien. Gut so, dass ist schon mal erledigt. Der Rest gestaltet sich dann sehr schwierig. Die Kälte und die Aufregung und nicht zuletzt der an mir reißende Strom machen es mir sehr schwer, unter das Schiff an den Kiel zu kommen. Den Versuch, zum Kanister zu schwimmen und dort diekt die Leine mit dem Bolzenschneider zu trennen muss ich abbrechen. Der Strom sorgt dafür, das sich trotz „voller Pulle“ schwimmen nicht richtig von der Stelle komme und schon nach kurzer Zeit völlig ausgepumpt wieder an der Bordleiter hänge. Zu alle dem schlucke ich literweise Salzwasser, was bei mir direkt einen amtlichen Kotzreiz verursacht. Nach einer gefühlten Ewigkeit klappt es dann endlich. Ich nehme alle verbliebene Kraft zusammen , atme tief ein und ziehe mich unter das Boot. Drt greife ich die Stange und ziehe mich daran weiter nach vorne bis ich an der Verbindungsleine zu dem Kanister komme. Die Leine ist mit der Stange vertörnt und als ich die Leine über die Stange schieben kann, löst sich auch die Stange vom Kiel nd die Carpe ist wieder frei.

Nun muss ich nur wieder an Bord. Eine Badeleiter gibts keine mehr wegen des Windpilot. Also an der Notleiter nach oben garnicht so einfach ist. Nach einer guten halben Stunde sitze ich endlich wieder im Cockpit, bin fix und fertig aber lebe noch.

Der Rest ist schnell erzählt. Ich entschliesse mich aufgrund der Verzögerungen durch Wind und REUSE, nach Saint Vaast auszuweichen. Die dortige Hafeneinfahrt fällt bei Ebbe trocken. Bei FLut sollte aber genug Wasser auf der Untiefe stehen, sodass ich in den Hafen kommen sollte. Der Hafen selbst ist ein aufgschleuster Bassin, dessen Docktore ca. 2 Stunden vor und nach Flut geöffnet sind. Dort liege ich nun, mir tun alle KNochen weh aber mir gehts gut.

Morgen werde ich wohl hier bleiben, da ich zu allem heute noch bemerkt habe, dass mein Vorsegel eine öffene Naht hat. Da muss ich morgen ran. Ohnehin soll morgen eine Front mit Boen bis 7 Beaufort durchziehen. Das erspare ich mir morgen mal. Bilder kommen morgen. Ich muss jetzt echt in die Heia. Ahoi …

Edit:
Noch ein Wort zu Ort und Hafen. Nach Le Havre, wo man wirklich nicht unbedingt hin muß, mal wieder ein wirklich schöner Ort und eine sehr gepflegte und gemütliche Marina. Der Hafen liegt direkt am Stadtzentrum so wie man sich das vorstellt. Kleine Gassen, viele Geschäfte und Gaststätten. Und der bretonische Einschlag ist nicht mehr zu übersehen. Genau mein Ding. Komisch mal wieder .. es gibt zwar 47635 Duschen aber nur eine Toilette. Entweder gehen die Franzosen nur alle 4 Wochen mal für große Jungs oder sie haben eine Vorliebe für ihren Fäkalientank. However .. die Toilette ist dann wenigsten immer wie neu (ganz entgegen dem Hafen in Le Havre *schüttel*). So ich geh dann mal Segel nähen.

8 Kommentare

  1. Hi Bruder,
    wat ne Aktion. Gut ausgerüstet scheinst du zu sein und der nötige Durchhaltewille stimmt auch. Es zeigt sich, dass man auch bei der Segelei körperlich was auf der Pfanne haben sollte. Gut gemacht. War schon so ein wenig wie bei „open sea“. Nur hatte da keiner von den Jungs an die Leiter gedacht. Aber eine Frage sei noch erlaubt. Wieso eigentlich Badehose 20 Meilen vor der Küste ? :)) Gute Fahrt noch.

  2. Mann, bin ich froh, dass alles gut gegangen ist! So ein Schreck in der Abendstunde!
    Hättest Du vorbeugend irgend etwas machen können, vielleicht nur, um besser vorbereitet zu sein? (Ich frag‘ nur, falls ich mal in die Lage komme!)
    Weiter alles Gute
    wünscht Dir Thilo

    • @Thilo
      Im Grunde sollte man die Dinge an Bord haben, welche ich zur Beseitigung des Problems auch gebraucht habe. Also eine Taucherbrille mit Schnorchel, Bolzenschneider (habe ich auch als Wantenschenider dabei), Lifebelt und Sicherheitsgeschirr, Leinen, eine mobile Bergeleiter und natürlich ne schicke Badehose ;-). Am besten fährt man erst garnicht über so ein Ding rüber. Aber wer rechnet schon 20 Meilen vor der Küste mit sowas .. Ahoi !

  3. Was für ein Alptraum. Würde meine Frau jetzt sagen :).
    Scheinbar hast du die Situation ja prima gelöst.
    Das ist der Anfang von „Atlantik Shepherd“. Wenn du noch ein paar Reusen zerschrottest wirst du Ehrenmitglied bei Greenpeace :).
    Viel Spaß noch, Gruß MUED

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