180 Meilen Wetter-Kapriolen

„Wann wirds mal wieder richtig Sommer, ein Sommer wie er früher einmal war ?“. Selten fand ich den alten Gassenhauer von Rudi Carrell so passend wie momentan. War das ein Wochenende. Mitunter kam es mir vor, als wäre ich wieder im März auf Fehmarn, wo es ähnlich „gemütlich“ war. Na wenigstens war es nicht sooo kalt wie im Winter.

Los gings am Donnerstag nachmittag. Das Auto war wie üblich bis oben hin voll mit Geraffel. Wie ich hoffe zum letzten mal, denn ab sofort will ich eigentlich nicht mehr mit dem Auto hin und her fahren müssen, sondern mit Zug oder Flugzeug die jeweiligen Liegeorte der Carpe ansteuern. Zwar kamen auch heute wieder einige Pakete bei mir an, so handelt es sich dabei aber mehr oder weniger um kleinere Gegenstände die ich auch so in meinem Seesack transportieren kann. Unter anderem kam heute auch das Satellitentelefon an, welches ich auf der Etappe nach Brest einmal ausführlich testen möchte. Auch die programmierte EPIRB hat sich jetzt eingefunden.

In Lemmer angekommen ging es sogleich daran, daß mitgebrachte Zeugs an Bord zu verstauen, was wieder mal auffällig problemlos gelang. Ein echtes Raumwunder meine kleine Carpe. Dennoch beginnt das dauernde Geschleppe und Geräume langsam an zu nerven. Bei traumhaftem abendlichen Licht genehmige ich mir noch eine Dose Bier und falle gegen halb zwölf in die Koje.

Am nächsten morgen gehts um 6 Uhr raus aus den Federn und nach kurzem Frühstück und Morgenwäsche ans Ruder Richtung Süden. Aufgewacht bin ich schon mit dem schönen Geräusch prasselnden Regens auf Deck. Das hat sich dann im Laufe des Tages auch nicht wirklich groß geändert. Aber wenigsten gab es auch den entsprechenden Wind, der teilweise sogar etwas zu boeig war. In Enkhuizen wieder die Machine an und durch die Schleuse ins Markermeer, wo ich im Schleusenvorhafen erst mal ein Päuschen mache.

Durch den schlechten Windwinkel muß ich doch mehr aufkreuzen als ich dachte und verliere so immer mehr Zeit. Kurzerhand entschliesse ich mich also nicht bis nach Ijmuiden durch zu fahren, sondern bis Volendam oder Amsterdam zu segeln. Da es gegen Nachmittag  tatächlich aufhört zu regnen und sogar die Sonne raus kommt, entschliesse ich mich,  weiter bis nach Amsterdam zu fahren. Dort heisst es erneut schleusen und unter einer Klappbrücke hindurch in den Nordsee-Kanal. Kurz vor erreichen des Sixhavens biege ich spontan rechts in einen kleinen Kanal ab, von dem ich gelesen habe, daß es dort einen schönen und gemütlichen Hafen geben soll. Und das ganze hat sich wirklich gelohnt. Nicht nur daß der Hafen wirklich gemütlich und schön ist, er liegt auch inmitten einer idyllischen Hausboot-Kolonie. Das Areal gehört zu einem Yachtclub. Es gibt genau eine Toilette und eine Dusche, die direkt nebeneinander in einem Raum liegen. So kann man entweder beim duschen seinem Nachbarn beim Geschäft zuhören oder eben umgekehrt.

Auf dem Rückweg vom duschen werde ich dann von einem deutschen Mädel angesprochen, ob ich aus Koblenz kommen würde (hat sie wohl auf meinem Boot gesehen).  Ich drehe mich um und staune nicht schlecht, als ich in ihr meine ehemalige Nachbarin aus meinem Heimatort Bendorf erkenne. Spontan werde ich zu ihrer Chartercrew auf eine Hanse 42 eingeladen und wir haben einen netten Abend bei Cous Cous und drei Dosen Bier (die mir am nächsten Tag einen amtlichen Schädel bescheren .. watt ist nur los mit mir ,-)).

Samstag morgen wieder früh raus und wieder prasselt der Regen. Dieses mal noch etwas stärker als am Vortag. Dennoch mach ich mich fertig, schäle mich in mein Ölzeug und ziehe auch noch mein Thermo-Gedöns drunter. Der Hammer .. es ist doch eigentlich Sommer.

Ich weiß nicht mehr genau wann ich die Leinen loswerfe, aber irgendwann vormittags mache ich mich also auf den Weg gen Westen. Es folgen lange Stunde des motorens. Kurz hinter Amsterdam setze ich zur Unterstützung die Genua, die mir einen weiteren Knoten bringt.

Kurz vor Ijmuiden hört der Regen tatsächlich wieder auf und ich fahre durch die Zuidersluis ins Salzwasser. In der Marina Ijmuiden gibts dann die notwendige Kanne Diesel für die Carpe und anschließend geht es zuächst im ersten Reff hinaus auf die Nordsee. Gleich werde ich von einer ordentlichen Dünung willkommen geheißen.

Kaum auf Kurs nimmt die Carpe wie gewohnt ordentlich Fahrt auf und es geht recht zügig Richtung Süden nach Scheveningen. Den Entschuß, direkt nach Oostende zu fahren, habe ich bereits mit dem ausweichen nach Amsterdsam verwerfen müssen. Scheveningen soll ja zudem auch ganz nett sein.

Gegen 20 Uhr berge ich die Segel und fahre unter Maschine und bei ordentlichem Querstrom in die Hafeneinfahrt zu Scheveningen ein. Ganz schön viel hantiere wenn man das Einhand macht, denn die Einfahrt ist kurz vor der Mole recht eng von Untiefen umschlossen. In Scheveningen ist der Hafen bereits ziemlich voll und ich muß bereits auf drittes Päkchen gehen. Bis zum späten Abend kommen immer mehr Yachten an und um 11 Uhr ist wirklich alles rammelvoll. Da ich bereits überall angekündigt habe, am nächsten Morgen um 4 Uhr zu starten, bleibt meine Bordwand für die Nacht frei.

Es folgt ein kurzer Ausflug in den Hafen von Scheveningen wo ich mir im sündhaft teuren „Harbour Club Steakhouse“ ein zwar sehr gutes, aber wie gesagt auch recht kostspieliges Steak genehmige. Man gönnt sich ja sonst nichts ,-).

Anschliessend zurück, gerade noch beim Hafenmeister das Liegegeld bezahlt (25 Öcken .. auch das noch !) und kurz gewundert, daß dessen Büro offenbar 24 Stunden besetzt ist.

However .. ab in die Koje, und den Wecker auf 3 Uhr gestellt. Kaum eingeschlafen, klingelt das Ding auch gleich los. Mist ! Mühsam quäle ich mich raus und schreite zur Tat. Nach einem Liter Kaffee kommt langsam Leben in meinen Körper und gegen 4 Uhr werfe ich die Leine los. Raus aus dem Hafen und nach dem Segel setzen Richtung Südsüdwest nach Rotterdam. Dort erreiche ich nach Sonnenaufgang den Maas Entrance Bereich wo ich mich vorschriftsmäßig über Funk anmelde und unter Segeln und Maschine auf standby die Passage des sehr dicht befahrenen Tiefwasserweges angehe. Insgesamt muß 4 mal ausweichen, da die ankommende Großschiffahrt so dermaßen schnell unterwegs ist, daß es unmöglich ist, deren voraussichtliche Annäherung auch nur annähernd abzuschätzen. Nach eine knappen Stunde habe ich es geschafft und ich gelange wieder ins „freie“ Wasser. Dort muß ich dann doch die ein oder andere Wende fahren um mehr Höhe und Abstand vom Land und den dortigen Untiefen zu gewinnen. Als der Wind später auf Nordnordwest dreht kann ich allerdings auf direkten Kurs Oostende gehen.

Im Hafenhandbuch habe ich in der Zwischenzeit gelesen, daß der Hafen in Oostende nur bis ca. 21.30 Uhr durch die vorgelagerte Schleuse zu erreichen ist. Da das bei mir doch sehr knapp werden könnte, entschliesse ich mich, nach Zeebrugge und den dortigen königlichen Yachtclub auszuweichen. Nach 16 Stunden und ein paar Stunden leichter Übelkeit die mich heute ereilt, erreiche ich schließlich Zeebrugge. Vor der Hafeneinfahrt steht eine ordentliche Welle von gut 2 Metern, da hier Wind gegen Strom steht und die bis zu 20 Knoten Wind die See richtig aufwühlen. Im Vorhafen berge ich Segel und mache mich klar zum anlegen. Wieder gehe ich längseits an den Besucherschlengel und habe in Windeseile ein nettes Paar aus Holland auf Päkchen. Nach dem Abendessen falle ich völlig kaputt in eine tiefen Schlaf.

Gestern – also am Montag – gings dann nach Rücksprache mit dem Hafenmeister auf meinen Liegeplatz für die nächsten 2 Wochen. Nachdem alles fest und verstaut ist, mache ich mich auf den langen Weg zurück nach Lemmer, wo ich noch mein Auto einsammeln muß. Zunächst mit der Tram nach Knokke wo ich den Zug Richtung Brugge, Antwerpen, Schiphol, Groningen, Leeuwaarden und schließlich Sneek besteige. In Sneek komme ich gegen Mitternacht an. Der Bus nach Lemmer fährt um diese Zeit natürlich nicht mehr. Also suche ich nach einem Taxi oder zumindest einem Hotel für die Nacht, was sich als schlichtweg unmöglich herausstellt. Letztlich lande ich in einer Kneipe, wo es sich ein paar Einheimische ordentlich besorgen (also alkoholtechnisch). Die Wirtin ist so nett und ruft einen örtlichen Taxifahrer aus den Federn der mich für dezente 75 Mäuse nach Lemmer fährt. Sein Volvo hat rund 300000 km auf der Uhr was ihn aber nicht daran hindert bei Regen und Dunkelheit mit 200 km/h durch die Pampa zu heizen. Na ja … mir ist zwischenzeitlich eh alles egal ,-).

In Lemmer besteige ich dann  endlich mein Auto und starte mit der Absicht, ein Motel an der Autbahn anzusteuern Richtung Zwolle. Beim Hotel angekommen stehe ich erneut vor verschlossenen Türen. Was ist denn nur los heute ? Also muß ich wohl oder übel weiter fahren. An der nächsten Tanke versorge ich mich mit etwas Fett-Futter, ein paar Dosen Red Bull und einem großen Becher Kaffee. Trotz diese „Dopings“ muß ich um 3 Uhr mal ein kurzes Schläfchen auf einem Rastplatz einschieben, bis ich bibbernd vor Kälte wieder aufwache und die Fahrt fortsetze. Um 5 Uhr ist es dann geschafft. Vorbei an allen Halluzinationen habe ich es nach Hause geschafft und falle in die Heia.

Nach ein paar Stunden Schlaf geht es nun so langsam wieder … nachher fange ich mal mit dem Film an. Also bis später …

4 Kommentare

  1. Hallo Guido,

    Respekt für diese Tour…ich wäre wohl spätestens in Sneek in der Kneipe geblieben :-)
    Das Segelwetter kann ich gut nachfühlen, ich habe in der letzten Woche (Urlaub) gerade 1,5 Segeltörns geschafft. Wobei ich immer auf zwei recht junge Crew-Mitglieder rücksichtnehmen muss. Aber bei 18 Grad und Regenschauern hält sich bei mir der Spaß auch in Grenzen…

    Viele Grüße

    Tiri

  2. Hallo Guido!
    Ich kann mitfühlen wie es Dir ergangen ist. Ich saß am Wochenende auf dem Boot und hab den Luxus genossen, nicht in den Regen hinauszumüssen, sondern ab und an Deine Positionsanzeige zu aktualisieren und ein Schlückchen warmen Tee zu trinken ;-)
    Im Frühjahr hab ich die Strecke in die andere Richtung zurückgelegt. Vorteil war, daß sämtliche Marinas leer waren, weil kein vernünftiger Mensch um die Zeit unterwegs war. Hoffe Du hast besseres Wetter für die nächsten Abschnitte. Apropos Abschnitte: Wie sieht denn die weitere Planung aus?
    Viele Grüße,
    Georg

    • @Georg
      Na wenigstens habe ich mir keine Sonnenbrand geholt ;-). Bis zum 27. bin ich jetzt erst mal anderweitig verpflichtet. Dann gehts wieder hoch nach Zeebrugge und zusammen mit Freundin Ruth dann los RIchtung Brest. Hoffe auch, daß sich das Wetter dann bessert. Bis denn .. Guido

  3. Bin schon gespannt auf die Videos. Das Problem mit den verschlossenen Türen kenne ich aber ich hatte oft schon ab 18:00 Uhr dieses Problem im Ausland…. Da kommt zu dem normalen Abenteuer noch mehr Abenteuer hinzu. :)

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