Gale warning & Co.

Da sitze ich also in Langevag/Harderland. Einem kleinen Kaff an der Südwestküste Norwegens, in dem es außer einem Supermarkt und einem Imbiss nichts weiter berichtenswertes gibt. Schon heute morgen (Dienstag) um 10.30 Uhr bin ich hier eingelaufen. Vorher hatte ich gute zehn Meilen von Mosterhamn zurückgelegt, wo ich bereits um 8 Uhr die Leinen losgeworfen habe. Mehr als diese zehn Meilen waren heute absolut nicht drin. Und selbst diese waren schon grenzwertig. Kaum aus der Landabdeckung des Hafens von Mosterhamn heraus, blies es gleich mit guten 20-25 Knoten aus Südwest. Nur unter Genua ging es mit Kurs 210 Grad Richtung Südwest. Mit jeder Meile die ich voran kam wurden die Böen stärker und selbst im Sund baute sich eine spürbare Welle auf. Viel schlimmer sind aber die unzähligen kleinen Schauerzellen die hier seit Tagen in regelmäßiger Abfolge wie aus dem nichts auftauchen und dabei Regengüsse wie aus der Dusche und heftigste Böen liefern. Obwohl wir nur unter Genua segeln erreichen wir spielend über 6 Knoten. Knallt eine der Böen in das Vorsegel legt sich Carpe schlagartig weit auf die Seite. Oft bleibt dann nur das sofortige fieren der Vorschot bzw. wenn es richtig kracht sogar das komplette loswerfen der Leine. Kurz vor der Hafeneinfahrt von Langevag kommt dann genau solch eine Zelle angezogen. Binnen Sekunden ist die Sicht weg, es prasselt auf mich herab und die Böen schmettern von Steuerbord voraus gegen Rumpf und Segel. Aber wenigstens ist es hell, was die ganze Sache doch etwas „angenehmer“ macht. Gestern abend (Montag) war das anders. Ich hatte mich am Nachmittag trotz wackeliger Wetterprognose dazu entschieden, aus Bekkjarvik auszulaufen und ungefähr 20 Meilen Richtung Süden zu machen. Der Wind blies zu dieser Zeit (wie schon seit Tagen) genau aus Südsüdost. Sprich, genau auf die Nase und damit unsegelbar, „Warum denn nicht aufkreuzen ?“, wird es jetzt sicher manchem in den Sinn kommen. Klar …. das wäre eine Option, macht aber aus den 20 Meilen gleich 40, was nicht nur eine Ankunft in stockfinstere Nacht bedeutet, sondern auch ein Überschreiten des ohnehin knappen Wetterfensters für den anstehenden kurzen Schlag. Also geht es etwa zur Hälfte unter Maschine Richtung Süden. Dann beginnt der Wind langsam auf Südwest zu drehen und ich kann endlich etwas seglen. Wieder nur unter Genua fahren wir so durch die wolkenverhangenen Schären zwischen Bekkjarvik und Mosterhamn. Das Groß bleibt wegen der auch an diesem Tag unberechenbaren Böen unten. Dann kommt der Hammer. Gerade als ich unter der Brücke etwa 2,5 Meilen vor der Einfahrt nach Mosterhamn hindurch bin, zieht eine dunkle Wolkenwand heran. Es ist ohnehin schon fast dunkel, aber jetzt wirds komplett finster. Kurz darauf beginnt ein Regenguss wie aus Eimern und der Wind legt von jetzt auf gleich sicher 10-15 Knoten zu. Ich kann es nur schwer beurteilen, aber die Böen unmittelbar vor der engen, felsigen Zufahrt erreichen sicher 35 Knoten, wenn nicht sogar noch mehr. Der Regen peitscht mir ins Gesicht und fliegt waagerecht durch den Lichtkegel meiner Stirnlampe. Ans filmen denke ich verständlicherweise nicht. Vielmehr versuche ich unter Maschine die letzten gut 600 Meter bis zur rettenden und hoffentlich abschattenden Einfahrt zu bewältigen. Aufgrund der kurzen steilen Welle, die sich in nulkkommanix gebildet hat, plus Wind stehen wir teilweise. Im Ernst. Der Plotter vor mir zeigt zeitweise 0 Knoten Fahrt über Grund an. Und das obwohl der Diesel sicher mit 2500 Umdrehungen jault. Rechts neben mir kann ich jetzt das grüne Feuer der Zufahrt sehen. Im Lichtschein des Feuers brechen die Wellen an den schroffen Felsen und die Gischt fliegt. Voraus ist das rote Pendant zu sehen. Auch hier wilder Seegang. Wieder habe ich das Gefühl zu stehen. Aber ganz langsam kriechen wir dann doch durch die beiden Feuer hindurch in die kleine Bucht von Mosterhamn. Hier ist von jetzt auf gleich zunindest der Seegang Geschichte. Dafür ist es sehr dunkel. Ich sehe nichts. Außerdem muss ich aufpassen nicht in eines der Flachs zu geraten. Nach zwei vergeblichen Anfahrten zu vermeintlichen Liegeplätzen liege ich schließlich an einer Holzpier und mache die Leinen fest. Ich bin echt fertig mit den Nerven. Das Ding draußen vor der Einfahrt nahe an den Felsen und mit teilweise null Fahrt über Grund hat mich doch ganz schön durchgeschüttelt. Horrorszenarien von ausfallendem Motor bis hin zu Legerwall-Situationen flitzten mir durch den Kopf. Und das alles im Dunkel der norwegischen Nacht und bei Monsterböen und Dauerschutt. Nur gut, dass ich es heute schon wieder fast vergessen habe :-).

Die heutige Zufahrt nach Langevag war am Ende dann nicht so dramatisch. Zwar kommt mir – wie üblich – genau zwischen den Molenköpfen von achtern eine riesige Fähre auf, aber alles klappt gut und das Fahrwasser zu den Liegeplätzen für Gäste bietet keinerlei Schwierigkeiten. Auch morgen wird es hier weiter ordentlich kacheln. Bis zu 40 Knonten werden draußen vor der Küste aus West gemeldet. Die Wellenprognose steigt stündlich und erreicht aktuell selbst auf dem kleinen Stück nach Haugesund um die 6 Meter. Also wird morgen ein weiterer Hafentag anstehen. Den werde ich für ein paar Arbeiten am Boot nutzen und mich ansonsten versuchen zu erholen. Am Donnerstag dreht der Wind dann auf Nord und soll endlich etwas nachlassen. Dann will ich möglichst viele Meilen nach Süden machen, bevor es gegen Abend wieder starkwindig wird. In Etappen soll es dann bis zu einem guten Absprungpunkt über das Skagerrak gehen. Ich hoffe auf Wetter und verbleibe mit einem kräftigen Ahoi :-).

1 Kommentar

  1. Moin erstmal,
    da hast du ja eine üble Situation noch gut Umschiffen können.
    Noch gute Erholung Du wirst sie noch brauchen die Wettervorhersage ist ja wirklich bescheiden
    Gruß an Bord
    Manfred

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